Bayerische Ostgesellschaft e.V.
 



Die mobile Klinik in der Ukraine läuft, ein großes und wichtiges Ziel wurde erreicht. Danke!


Der Krieg in der Ukraine dauert an. Die nächtlichen russischen Raketeneinschläge und toten Zivilisten sind zur täglichen Normalität geworden und treten mehr und mehr in die zweite Reihe der Medien-Berichterstattung. Hilfe, vor allem medizinische, ist nach wie vor dringend, unentbehrlich und permanent vonnöten.
Im August startete unsere mobile Klinik, seither läuft sie. Ukrainische Maßstäbe sind unterschiedlich zu unseren, aber das Projekt läuft und das immer besser. Die sechs Monate des gemeinsam vereinbarten Projektes sind nun Ende Januar 24 um.  Nun ist das Kind zwar endgültig geboren, aber so ganz alleine kann es noch nicht laufen, würde auch derzeit ohne Hilfe noch verhungern. Unsere Partner in der Ukraine versuchen die mobile Klinik wie vereinbart in das Gesundheitssystem zu implementieren, aber die ukrainische Bürokratie kann sich locker mit unserer Bürokratie messen – es dauert leider länger als erhofft. Ein fest avisierter Partner zur Anschlussfinanzierung bis zur endgültigen Selbstfinanzierung ist leider im letzten Augenblick abgesprungen – nun helfen wir noch etwas weiter, die nächsten Monate zu überstehen. Aber es läuft ….
Entstanden ist eine kleine Poliklinik (Basis für die mobile Klinik ohne Betten), wo Beratungen, Untersuchungen und Behandlungen durchgeführt werden.
Entstanden ist die wörtlich zu nehmende mobile Klinik mit Geländefahrzeugen, Ambulanz und mobiler Ausrüstung. Ausgestattet sind die beiden Elemente auf hohem Niveau mit EKG, Ultraschall, Labor, gynäkologischem Untersuchungsplatz, Medikamenten und umfassender Notfallausstattung.
Die Aktionen vor Ort sind im Einzelnen:


Regelmäßige Versorgung im Besuch von lokalen Flüchtlingslagern für ausgebombte Locals oder Binnenflüchtlinge.
Regelmäßige psychologische Unterstützung an allen Einsatzorten – die Psychologin ist fester Teil des Teams.
Regelmäßige Erste-Hilfe-Kurse in Flüchtlingslagern und Schulen.
Notfalleinsätze und Transporte (dieser Bereich wird der knappen Finanzlage folgend derzeit heruntergefahren)
Regelmäßige Sprechstunde für mobile Patienten in der Klinikbasis mit wöchentlicher frauenärztlicher Sprechstunde.
Aufklärungsarbeit.


Die Arbeit wird von ukrainischen Ärztinnen und Ärzten, Notfallsanitätern, Krankenschwestern und Verwaltungskräften geleistet.
Die Gehälter und Betriebskosten wurden in den ersten sechs Monaten ausschließlich von uns – der medizinischen Nothilfe Oberland und der Bayerischen Ostgesellschaft getragen. Ab Februar 2024 geben wir nach unseren Möglichkeiten noch einen monatlichen Zuschuss zu den Betriebskosten, solange Spenden dafür eingehen.
Wir möchten deshalb, stellvertretend für alle, denen geholfen wird, DANKE sagen!
Unsere Bürger haben es geschafft, all dies durch Spenden auf die Füße zu stellen. Auf den Spenderlisten stehen weit über tausend Spender. Die größte Einzelspende war 10 000, dann 7500, all der Rest waren entweder viele größere und enorm viele kleinere Spenden, dazu Aktionen von Privatpersonen (Spende statt Geburtstagsgeschenk zum 60., Frühschoppen, Herbstball, Benefizkonzert, Adventsmarkt, Spenden von Gemeinden, Kirchengemeinden …).
Die Spendensumme liegt im Bereich von 80 000 Euro Geldspenden und ca. 70 000 Euro in Sachspenden – nur für die mobile Klinik – da sind all die humanitären Spenden für den ersten Kriegswinter (Decken, Kleidung, Kerzen…) nicht dabei. Da dürfen der Landkreis und seine Bürger verflixt stolz drauf sein.
Es ist uns ein Anliegen, dass diese vielen Menschen wissen und sehen, dass in solchem Desaster auch Gutes entstehen kann – und dass jeder einzelne dazu beigetragen hat. Das bombardierte Gebäude auf dem Bild ist sicher abschreckend, viel wichtiger sind sicher die Augen z.B. des Kindes mit Halskrause beim Notfallkurs oder der jungen Helferin in der Konsultation. Hier steht Hoffnung und Leben, genau das, was wir erhalten möchten.
Falls Sie sich weiter an diesem Projekt durch Spenden beteiligen möchten, werden wir dafür sorgen, dass unser Kind in der Ukraine richtig Laufen lernt, vielleicht sogar springen. Wir werden das Sheptytsky-Krankenhaus als Organisator vor Ort und die mobile Klinik weiter begleiten und nach Kräften unterstützen.


Mit den oft mehrfach geleisteten Überweisungen unserer Spender und den immer wieder zur Verfügung gestellten Sachspenden medizinischer Einrichtungen (Krankenhäuser, Arztpraxen, Sanitätshäuser) wurden im vergangenen Jahr mehrere Hilfstransporte auch für andere Krankenhäuser zusammengestellt. Eine fast unglaubliche Menge an humanitärem und medizinischem Material fand so regelmäßig den Weg in die Ukraine … von Spendengeldern gekauft wurden mehrere Notstromaggregate, zwei starke (eines davon mit 15 KW Leistung) und mehrere kleinere, Spezial-Verbandsmaterialien für akut Verletzte, Blutstillungsmittel und Frakturschienen, große Mengen Verbände, Kompressen, Spritzen und Kochsalzlösung, Beatmungsbeutel und medizinische Handschuhe, Stirnlampen, Windeln, Stützstrümpfe, Orthesen, Infusionsständer, Toilettenstühle und flexible Tragen für Verletzte.
Aus Arztpraxen erhielten wir mehrere Sonographie- und Röntgengeräte, EKGs, Autoklaven, und die fast komplette Ausstattung einer Zahnarztpraxis – wir haben darüber berichtet.
Vor kurzem hat uns ein Münchner Labor mehrere hochwertige Gefrierschränke, Autoklaven u.a. für die Ukraine angeboten. Gebraucht wird alles, allerdings gibt es inzwischen strengere Zollbestimmungen (um Korruption zu vermeiden), sodass Transporte erst dann stattfinden werden, wenn die bürokratischen Hindernisse vorher geklärt sind.
Alles in allem: Mit Ihrer großzügigen Hilfe konnten wir nicht nur eine mobile Klinik-Einheit in einer Region realisieren, in der keine medizinische Betreuung mehr bestand, und das gerade für Alte und chronisch Kranke, die nicht mehr imstande waren, sich selbst in ein entfernteres  Krankenhaus zu begeben. Und wir konnten wichtiges Verbrauchsmaterial und Equipment für Notlazarette im Osten nahe der Front beschaffen. Eine wirklich lebensnotwendige Hilfe, für die wir mehrfach Dankesbekundungen erhielten: Am 12.1.24 schrieb uns Natalija Chornovus von der Hilfsorganisation Legion des Lichts - Ihre Hilfe ist von unschätzbarem Wert, Sie sind den menschlichen Bedürfnissen gegenüber nicht gleichgültig und distanziert geblieben ... wir bedanken uns für die Bereitstellung wohltätiger Hilfe für die Bürger der Ukraine unter den Bedingungen einer umfassenden Invasion des ukrainischen Territoriums durch ein Aggressorland. Wir schätzen Ihre Fürsorge und Unterstützung und bedanken uns für Ihre Unterstützung und Hilfe!
Jörg Lohse        Hannes und Karla Hey
Spendenkonto der BOG:  IBAN DE14 7015 0000 0908 2302 20, Stichwort Medizinische Hilfe Ukraine
Spendenkonto der Med. Nothilfe Oberland: IBAN DE16 7005 4306 0011 9833 84



Hilfe für Kranke in Irpin und Wyshgorod - die mobile Klinik ist gestartet

Irpin, eine junge verträumte Kleinstadt mit etwa 40 000 Einwohnern liegt keine 30 Kilometer von Kiew entfernt. Als vor über hundert Jahren die Eisenbahn von Kiew in den Westen gebaut wurde, wurde Irpin als Siedlung an einem Bahnhof gegründet und wuchs bald zu einer netten ruhigen Stadt heran. Grüne Parks, Plätze, weite Straßen und viele Familienhäuser prägen das Ortsbild. In der Umgebung weitläufige Kiefernwälder und Moore, ein nahes Naturschutzgebiet lud früher zum Urlaub ein.

Irpin vor dem Krieg (Quelle Internet Wikimapia)

Mit Kriegsbeginn im Februar 2022 wurde der Stadt und seinen Bewohnern die Nähe zum Flughafen Hostomel und Kiew zum Verhängnis. Überfallartigen Luftlandeoperationen russischer Streitkräfte folgte ein gewaltiger Vorstoß mit Bodentruppen, Panzern und Kanonen von Belarus aus. Nach kurzer Besetzung und schweren Kämpfen mussten sich die russischen Truppen zurückziehen, erstmals offenbarten sich damit ihre schweren Gräueltaten an Zivilisten. Bilder aus Irpin, dem benachbarten Butscha und Hostomel gingen um die Welt. Nach der „Schlacht um Irpin“ und dem Rückzug russischer Truppen nach Norden kamen zahlreiche Politiker, auch Olaf Scholz, bekundeten Entsetzen, Anteilnahme und sicherten ihre Hilfe zu. 

Bombardierte Wohnviertel Irpins im März 2022 (Quelle N. Pisarenko AP) 

Trotz des anhaltenden Krieges mehrere hundert Kilometer entfernt wird jetzt wieder aufgebaut, die Infrastruktur und Wohnhäuser auch mit finanzieller Hilfe des Westens repariert. Die Mittel kommen aber überwiegend Städten und zentralen Einrichtungen zugute. Dörfer, Weiler und Gehöfte im weiten Landkreis Wyshgorod, direkt nördlich Kiew, bleiben weitgehend unberücksichtigt, obwohl die medizinische Infrastruktur zerstört ist. Wer mobil ist, kann teilweise wieder Hilfe in den Städten suchen, wer keine Fahrmöglichkeit hat, ist von dieser zentralen Versorgung abgeschnitten.
Durch unsere Münsinger Initiative, die über den ganzen Landkreis Bad Tölz – Wolfratshausen strahlt, kommt nun Hilfe mit der „mobilen Klinik“. Unser Partner in der Ukraine ist das Sheptytsky-Krankenhaus im weit entfernten Lemberg (Lwiw), eine gemeinnützige Einrichtung der griechisch – katholischen Kirche. In persönlichen Kontakten und gegenseitigen Besuchen konnten wir uns überzeugen, dass wir einander vertrauen können und gemeinsam an einem Strang ziehen.

Diese Klinik hat nun in dem Städtchen Irpin eine kleine verlassene Sanitätsstation neben einem zerbombten Wohnhaus im Zentrum der Stadt gefunden. Nach der Reparatur einiger Schäden ist hier die Basis der mobilen Klinik eingezogen, eilends wurde unsere Ausstattung der mobilen Klinik dort eingelagert und auch bereits benutzt.

Irpin 1.August 2023:





 











Einweihung und Weihe der Klinikbasis der mobilen Klinik. 1. Reihe von rechts nach links: L. Hasiuk, Chefärztin – Irpins Priester mit goldener Stola – A. Lohin, Priester und Direktor des Sheptytsky-Krankenhauses

Die mobile Klinik ist gestartet!
Seit dem 1. August 2023 agiert die mobile Klinik von hier aus, die voll ausgestattete Notarztambulanz fährt bereits im Team zu Noteinsätzen, ist aber auch für Hausbesuche schwer Erkrankter unterwegs. Auf dem Foto die ersten Übungen nach dem Einrichten der Ambulanz. Krankenschwestern und Fahrer für die Klinik sind eingestellt. Die Suche nach weiteren Ärzten ist noch etwas zäh, da viele von ihnen im Krieg oder in den Kliniken arbeiten. Hier allerdings kommt uns die Nähe zum urbanen Zentrum Kiew zu Hilfe und die Chancen sind größer, geeignete Mitarbeiter zu finden. In den nächsten Wochen werden regelmäßige Touren des gesamten Trosses der Mobilen Klinik mit Ambulanz und Lastwagen über die weitläufige Landschaft von Siedlung zu Siedlung fahren und die Versorgung Schritt für Schritt wieder aufbauen. Wir wollten aber nicht warten, bis „alles perfekt ist“, sondern so früh wie möglich starten - die Not ist groß. 

Wo startete dieses Projekt?

In der Gemeinde Münsing am Starnberger See starteten Dr. Jörg Lohse und Dr. Hannes Hey dieses Projekt und riefen zu Spenden auf. Viele Menschen und Firmen unterstützen diese Initiative im gesamten Landkreis Wolfratshausen-Bad Tölz. Mit den Spenden konnten hochwertige Ausrüstungsteile beschafft werden, die jetzt bereits im Einsatz sind.







Lemberg im Juli 2023

Mit diesem Geld kann das Sheptytsky Hospital die Miete der Sanitätsstation bezahlen, die Gehälter der ukrainischen Ärzte und Mitarbeiter, den Sprit und andere laufende Kosten.
Phantasie, Spontaneität und Gemeinsinn als Stärken tragen zum gesamten Geschehen bei: Ob ein total netter „Benefizfrühschoppen“ am Campingplatz beim Fischer in St. Heinrich (s. Foto), eine Sammlung bei einer Lesung, Pflanzenverkauf oder bei anderer Gelegenheit – Münsing hilft!     

Einer der vielen Transporte ist vor Ort eingetroffen (eigene Bilder)


St. Heinrich Juli 2023: Benefizfrühschoppen beim Campingplatz „beim Fischer“ (eigene Bilder)

Betriebe unserer Gemeinde, auch die Gemeinde selbst und Einrichtungen im Landkreis überweisen Beiträge, Arztpraxen und Hilfsorganisationen bringen Sachspenden. Bislang konnten durch Ihre Spenden die gesamte Klinikausstattung und der Betrieb für August und September auf die Beine gestellt werden.

Damit es weitergehen kann, benötigen wir pro Monat etwa 10 000 Euro, um die laufenden Kosten bis zum Ende des Jahres zu decken – dann soll die mobile Klinik in die Regelversorgung der Ukraine übergehen und wir können uns wieder zurückziehen. Es ist also noch längerer Atem und viel Geld nötig, aber angesichts dessen, was bisher alles an Positivem geschehen ist, sind wir optimistisch, dass das Ziel erreicht werden kann. Vor allem sind wir froh und stolz darauf, dass es möglich wurde, dem Bösen und Schrecklichen dieses Krieges Zeichen der Hoffnung und der Hilfe entgegenzusetzen – und das alles mit Ihrer Unterstützung! 

Nähere Informationen finden Sie unter der Website www.medizinische-nothilfe-oberland.de oder unter bayerische-ostgesellschaft.de

Spendenkonten: Bayerische Ostgesellschaft - Medizin. Hilfe: IBAN DE14 7015 0000 0908 2302 20
Medizinische Nothilfe Oberland: IBAN DE16 7005 4306 0011 9833 84


Zum Schluss noch ein Dank aus Koryukivka
Vor ein paar Wochen haben wir eine weitere Sendung mit dentalmedizinischem Material
der Münchner Zahnärztin Dr. Natalie Frenzel, u.a. zwei OP-Lampen und einem
Panorama-Röntgengerät mit Entwicklungsmaschine, unserem Kontaktmann Alex
Gorbashev übergeben, der das Equipment an das Krankenhaus der Stadt
Koryukivka in der Region Chernyhiv im Nordosten des Landes weiterleitete. Zehn
Tage später kam vom dortigen Krankenhausteam ein Kurz-Video mit dem herzlichen
Dank der Kollegen und der Einladung “uns doch nach dem Krieg zu besuchen“.
Vielleicht sollten wir das tatsächlich tun, denn Koryukivka ist für Deutsche ein
besonders schuldbeladener Ort: Wer die Stadt im Internet aufsucht, erfährt, dass
deutsche Soldaten 1942 zuerst die gesamte jüdische Einwohnerschaft – rund 300
Personen - und 131 Zivilisten erschossen ... und 1943, nach dem Angriff
sowjetischer Partisanen ...als Vergeltungsaktion mehr als 6700 Einwohner
umgebracht und über 1200 Häuser abgebrannt haben. Und Koryukivka ist für uns
nicht das einzige schwarze Loch in der Ukraine. Deshalb sollten wir versuchen, ein
wenig zurückzugeben - jetzt, in der Ukraine, und nicht nur für die mobile Klinik in Irpin
- auch für Peretschin, Kamyanitsa und wo und womit auch immer.

Dr. Jörg Lohse / Dr. Hanns-W. Hey